Hintergründe
Das Deutsche Rote Kreuz ist ein Ort, an dem das menschliche Miteinander im Fokus steht. Dadurch sind wir ein potenzielles Tatumfeld für sexualisierte Gewalttaten, die statistisch gesehen etwa jedem 4. bis 5. Mädchen und jedem 10. bis 12. Jungen im Laufe ihres/seines Lebens widerfahren. Dass die vermutete Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist, verstärkt zudem den Handlungsbedarf (Enders, 2006, S. 12f). Für den Seniorenbereich oder weitere Arbeitsfelder mit den uns anvertrauten Menschen gilt ein ähnlicher Gefährdungsbereich.
Neben der Familie (etwa 30%) steht das „soziale Umfeld“ mit etwa 60% aller sexualisierten Gewalterfahrungen (bezogen auf Kinder und Jugendliche), statistisch gesehen an erster Stelle (Enders, 2006, S.13). Erklärbar ist dies dadurch, dass soziale Nähe neben den wünschenswerten alters- und reifegemäßen Kontakten, auch viel Raum für Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe bietet. In den letzten Jahren liegt der Fokus zusätzlich auf Grenzverletzungen unter Jugendlichen, die sich stark auf den digitalen Raum auswirken können. Cybermobbing und Cybergrooming sind somit neue Erscheinungsformen, die zum Thema geschulte Ansprechpartner für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erfordern.
Gesellschaftspolitische Entwicklungen
Als große Reaktion aus der Politik auf die 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandalen ist die Einberufung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ nennenswert. Mit Abschluss des Runden Tisches sind bereits viele weitere Schritte unternommen worden, um den Schutz vor sexualisierter Gewalt im DRK noch weiter auszubauen.
Auch die Weiterentwicklung des Bundeskinderschutzgesetzes seit dem Jahr 2012 ist als ein positives, öffentliches Mittel zur Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes zu werten.
Neben den öffentlichen Interessen zeugen aber insbesondere das Selbstverständnis und die Grundsätze des DRK davon, dass uns der Schutz unserer Mitglieder vor sexualisierter Gewalt ein eigenständiges Anliegen ist. Nicht erst seit dem vermehrten, öffentlichen Interesse widmen sich unsere Fachabteilungen dem Thema. So wird der Kinderschutz beispielsweise im Bereich der Kitas dauerhaft intensiv bearbeitet - beispielsweise in Leitungs- und Trägerkonferenzen sowie Fachtagungen.
Vorreiter Jugendrotkreuz
Eine Besonderheit stellt sicherlich auch das Jugendrotkreuz im Landesverband Nordrhein e.V. dar. Hier gab es in den Jahren 2007 bis 2017 eine eigene "Schutzstelle". Mit Verabschiedung der Umsetzungsstrategie für die Gemeinschaften im Jahr 2016 übernehmen diese Aufgaben nun die Vertrauenspersonen im DRK-Landesverband Nordrhein e.V. Um die Präventionsarbeit als Jugendverband aber weiter nach vorne zu bringen, steht Katharina Schnackertz dem JRK als engagierte Bildungsreferentin zur Seite.
Ziele
Ganz im Sinne der UN-Konventionen gehört es zu unseren Aufgaben, die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen vor Einflüssen, die ihre individuelle und soziale Entwicklung beeinträchtigen oder nachhaltig schädigen können, zu schützen. Aus unserer Überzeugung heraus gilt dies gleichermaßen für die Zielgruppe der Senioren, Menschen mit Behinderungen und alle weiteren, uns anvertrauten Menschen.
Wir verfolgen mit unseren Maßnahmen von daher folgende Zielsetzungen:
- Die Verminderung von Vorfällen sexualisierter Gewalt in unserem Verband.
- Das Bereitstellen kompetenter Ansprechpartner für Betroffene sexueller Gewalt.
- Die systematische Etablierung von strukturellen Präventionsmerkmalen als Qualtitätsmerkmal.
- Die systematische Umsetzung der DRK-Standards zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in allen Aufgabenbereichen des DRK.
- Die Verbreitung präventiver Arbeit und dadurch die Stärkung unserer Mitglieder.
Maßnahmen
Wir verfolgen das Ziel, dass in jeder Einrichtung kompetente Ansprechpartner*innen für das Thema vorhanden sind. So kann bei Fragen, Unsicherheiten und ungeklärten Situationen hürdenlos reagiert werden. Einrichtungen, die auch zu sensiblen Themengebieten Ansprechbarkeit vermitteln, schaffen damit bereits eine gute Grundlage, um bei ernsthaften Gefährdungen adäquat reagieren zu können. Alle unsere Empfehlungen leiten sich von den 8 DRK-Standards zur Prävention sexualisierter Gewalt ab.
Ansprechpartner
Für den ehrenamtlichen Bereich wurden im Landesverband Nordrhein e.V. zwei Vertrauenspersonen implementiert. Diese können von allen ehrenamtlich Aktiven per Email oder Telefon kontaktiert werden. Sie nehmen sich Zeit, um die Anliegen zu besprechen und beziehen dabei ihre fachlichen Netzwerk-Kontakte ein. Ihnen zur Seite steht auf Wunsch auch die DRK-Stabsstelle hier im DRK-Landesverband Nordrhein e.V. Sollte ein Interventionsverfahren notwendig sein, übernimmt unser Interventionsbeauftragter die Abklärung einer Verdachtsmitteilung.
Die Kreisverbände, die keine eigenen Vertrauenspersonen bei sich implementieren können, können jederzeit auf die Vertrauenspersonen des Landesverbandes zugehen. In den DRK-Kitas und Einrichtungen der Senioren- und Behindertenhilfe soll es nach unseren Empfehlungen ebenfalls sogenannte "Erste Ansprechpartner" zum Thema geben. Die jeweiligen Aufgaben, Voraussetzungen und üblichen Handlungsschritte sind für die diversen Aufgabenfelder detailliert in unseren Broschüren beschrieben.
Interventionsverfahren und Qualitätsmanagement
Jeder Verdachtsfall, jede Grenzverletzung und jede ausgeführte sexualisierte Gewalttat hinterlässt Spuren und Schäden bei allen Beteiligten. Um so handlungssicher wie möglich sein zu können, müssen unsere Kreisverbände und Einrichtungen schon vorab wissen, was zu tun ist.
Sicherheit und fachliche Standards stehen im Zentrum unserer sorgfältig entwickelten Interventionspläne. Diese weichen bei Vorfällen sexuslisierter Gewalt innerhalb der Gemeinschaften vom sonstigen geltenden Disziplinarverfahren ab. Das wurde mit allen verbandlichen Gremien abgestimmt und von der DRK-Landesversammlung im März 2016 beschlossen.
Für Verdachtsfälle innerhalb der ehrenamtlichen Strukturen des Landesverbandes und der Kreisverbände wurde ein Mitglied des Präsidiums - Dr. med. Carsten Müntjes (Schriftführer) - zum Interventionsbeauftragten bestimmt. Dieser leitet die Verfahrensklärung und spricht dem zuständigen Präsidium nach Eruierung aller verfügbaren Informationen und Fachexpertisen eine Empfehlung im jeweiligen Fall aus.
Die Verfahrenspläne für unsere Kitas und Einrichtungen der Senioren- und Behindertenhilfe (die sich in der Regel im hauptamtlichen Kontext ereignen) wurden ebenfalls sorgfältig und unter Beteiligung von Fachberatungsstellen entwickelt. So sichern wir ein entsprechendes Qualitätsmanagement. Hier finden die üblichen, rechtlichen Bestimmungen und arbeitsrechtliche Maßnahmen und Sanktionsmöglichkeiten ihren Platz.
Alle weiterführenden Informationen finden sich dazu unter dem DRK-Standard Nummer 8 in den jeweiligen Broschüren.
Wissensvermittlung
Jeder im DRK Aktive braucht entsprechend seiner Tätigkeiten und Aufgaben angemessene Informationen zum Thema. Deshalb bietet der Landesverband sowohl diverse Schulungen für die Fachkräfte in den Einrichtungen, als auch Themenabende und Schulungen für die ehrenamtlichen Kräfte in den Kreisverbänden an.
Wir haben uns viele Gedanken über passgenaue Weiterbildungen gemacht, diese finden sich unter dem DRK-Standard Nummer 2 in den entsprechenden Broschüren.
Netzwerkarbeit
Wir pflegen unsere Netzwerk-Kontakte zu diesem Thema genauso und stehen auch externen Einrichtungen und Trägern mit unserer langjährig entwickelten Fachexpertise zur Seite. Gerade bei diesem Thema funktioniert das "Geben und Nehmen" unser Erfahrung nach sehr gut. Dafür möchten wir unseren Netzwerk-Kontakten von Herzen "Danke!" sagen!